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Ein Jahr Welcome To Last Week | Christina schaut zurück

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Ein Jahr ist Christina nun schon bei Welcome To Last Week tätig. Zeit, einen Blick zurückzuwerfen.

Ein Jahr ist es her, dass mein erster Artikel auf Welcome To Last Week erschienen ist. Normalerweise schreiben zu Jubiläen nicht die Jubilant_innen selbst, aber in diesem Fall möchte ich selbst auf mein erstes Jahr zurückschauen. Wer könnte besser wissen als ich, wie es mir so ergangen ist? Und was ist das für eine epische Geschichte. Alles begann mit dem Schmieden der… ach nein, falscher Film.
Ich bekam meinen ersten Key. Benja gab mir damals Dude, Where is My Beer?, ein Point-and-Click, für das ich wie gemacht war – nur dass ich keine Ahnung von Bier hatte. Kein Problem, also las ich mir in einer vielstündigen Recherche alles an, was es über obergärige und untergärige Lager und Pils zu wissen gibt. Seither habe ich alles wieder vergessen, also bitte fragt mich nicht danach. Jedenfalls kam meine Review am 15. April online und ich war glücklich.

Technisch gesehen kam mein erster Artikel am 9. April online, aber das war eine News, die ich nach meinem Probeartikel geschrieben hatte. Sie wurde nur vorher veröffentlicht, gängige Praxis in Redaktionen. Es war auch gar nicht mein erster Artikel für ein Indie-Game-Magazin, aber der erste, bei dem ich mich kreativ ausleben konnte. Ich bin heute noch zufrieden mit meiner Review, auch wenn ich mittlerweile Alkohol trinke. Wenig und am liebsten süße Weine und Liköre, aber immerhin. Meine nächste Chance, nach dem perfekten Bier zu suchen, wartet auch schon am Horizont: Arik Zurabian und Edo Brenes kündigten eine Fortsetzung namens Dude, Where Is My Beer? 2: A New Hop an. Es wird also ein Revival geben. Und apropos aufleben: In meiner Anfangszeit war es wie überall, wo ich neu anfange. Alles war aufregend, neu und rosig.

Schneckenschleim und Gurkenspiele

Ich hatte keinerlei Beschäftigung, da mein Studium pausierte, und stürzte mich auf alles, was ich zu schreiben fand. Meine zweite Review zu Turnip Boy ist eine der witzigsten, die ich je geschrieben habe, und sicherlich auch eine der kreativsten. Aber für Anfänger_innen ganz normal, hatte Benja anfangs einiges zu bemängeln: Ein ganzer Absatz über Schnecken flog aus der Review, um diese nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Ich zitiere mich frecherweise einmal selbst: „Wusstet ihr, dass Schneckenschleim nicht nur der Mobilität dient? Schnecken, die zu den Mollusken gehören und damit entfernt mit den Tintenfischen verwandt sind, produzieren eine wahre Wunderwaffe. Sie pflastern den Weg nicht nur mit Gleitmittel, sondern auch mit Klebstoff, hauseigenem Parfum und giftigem Cocktail. Zusätzlich wirkt dieses Serum desinfizierend, was Turnip Boy Commits Tax Evasion zu einem nahezu keimfreien Spiel machen dürfte.“

War ich nicht lustig? Sagt jetzt einfach ja. Ihr wolltet sicher schon immer von mir erfahren, dass Schnecken mit den Tintenfischen verwandt sind. Auch heute recherchiere ich noch viele Hintergründe zu meinen Artikeln, ich baue sie nur etwas subtiler und sorgfältiger ein. Schließlich sind wir kein Science Blog. Das Spiel steht im Fokus und sollte stets den roten Faden stellen, an dem ich mich thematisch entlanghangele. Das sind nur selten Fakten über Weichtiere. Aber Turnip Boy hat mich geprägt, im positivsten aller Sinne. Es war ein dankbares Debütspiel, lieferte viel Material für eine augenzwinkernde Review voller Herz und Gemüse. Und am Ende war ich wirklich stolz, das Spiel komplett geschlagen zu haben. Natürlich erwächst daraus nicht direkt ein perfekter Artikel, und ich war am Anfang noch etwas orientierungslos bezüglich unserer Standards.

Alles neu macht der Mai

Doch dank unseres internen Austauschs habe ich mich schnell an einiges gewöhnt: Gendern beispielsweise ist mir mittlerweile ins Blut übergegangen. Auf die mediale Repräsentation queerer Menschen achte ich mittlerweile auch privat. Obwohl wir viele Freiheiten bezüglich der Artikel genießen, gelten eben gewisse Qualitätsanforderungen. Daran habe ich mich schnell gewöhnt. Zack, war es schon Mai. Unser Talk in den Mai ist meiner Erinnerung nach mein erster Stream gewesen und seitdem zur liebgewonnenen Tradition geworden. Die monatlichen Rückblicke, in denen wir uns treffen und über unsere gespielten Indies sprechen, stärkten auch das Gemeinschaftsgefühl. Es motivierte, auch abseits der Reviews Spiele zur Hand zu nehmen und sich Empfehlungen von Redaktionskolleg_innen anzusehen.

Noch vor den Talks wurde ich in die Welt der Podcasts eingeführt. Tatsächlich hatte ich WTLW über den Podcast entdeckt, das dürfte nicht nur mir so gehen. In meiner ersten Folge als Zuhörerin (Pile of Shame, den ich auf dem Heimweg von einem Besuch in Freiberg hörte) fand ich mich sofort wieder. Umso stolzer war ich, als Mitglied am Podcast über den Deutschen Computerspielpreis teilnehmen zu dürfen. Ich war auch exzellent vorbereitet – so gut wie danach nur noch einmal, nämlich bei dem Podcast über Detective Games. Der ist mir bis heute positiv in Erinnerung, weil Malte und ich die Tiefen eines von mir sehr geliebten Genres ergründeten und uns über unsere Lieblinge austauschten. Er hat mich dazu inspiriert, Paradise Killer zu spielen, was ich eventuell bereue. Zumindest habe ich es bis heute nicht geschafft, das sicherlich fantastische Spiel auch durchzuspielen.

Christinas seltsame Welt der Puzzles

Der nächste „Meilenstein“ war keine persönliche Errungenschaft, sondern das nächste prägende Spiel. Strangeland hat mich nachhaltig beeindruckt, so sehr, dass ich nicht nur eine Review verfasste, sondern mich auch näher mit Puzzles in Adventure-Games beschäftigte. Müsste ich einen Artikel irgendwo als Referenz angeben, es wäre dieser. Meine Analyse von Puzzles und ihrem Einfluss auf das Worldbuilding bleibt bis heute eine Referenz, an die ich mich in neuen Spielen erinnere und an denen ich sie messe. Und Strangeland hat Maßstäbe gesetzt, die dafür gesorgt haben, dass ich Wormwood Studios sehr schätze, Puzzles mit anderen Augen sehe und über den Einfluss persönlicher Erfahrungen in Spielen nachdenke. Ich habe immer noch ein Dokument mit einer Menge ungenutzten Materials herumliegen. Vielleicht gibt es eines Tages einen zweiten Blick, der mit etwas mehr Abstand entsteht. Ich bin mit meiner Meinung zu Strangeland auch relativ allein, zumindest, wenn man nach der Punktzahl geht.

Diese verflixten Punktzahlen. Am Ende unserer Reviews vergeben wir eine Wertung, die wie auch unsere Artikel subjektiv ausfallen. Ich habe zu Beginn sicherlich zu hoch bewertet, einfach weil ich noch unerfahren und leicht zu beeindrucken war. Nachträglich würde ich beispielsweise meine Mind Scanners Review nach unten korrigieren. Aus dem einfachen Grund, dass dieses Spiel mich nicht nachträglich beeinflusst hat. Obwohl ich Artstyle und Grundidee schätze, war Mind Scanners kaum revolutionär. Aber meine Review war persönlich und voller Reflexion über eine düstere Story, darum änderte sich auch meine Meinung zum Spiel selbst. Dieser Effekt ist nicht auszumerzen: Entweder das Spiel macht etwas mit mir und ich verfasse eine Review, die das abbildet. Oder ich bleibe unberührt und vergebe eine mittelmäßige Wertung. Das passiert hin und wieder, wie beispielsweise bei Papetura, wo meine Intuition mich im Stich ließ.

Rückblick im Rückspiegel

Aber immerhin zeigen mir solche Gelegenheiten, dass meine Spürnase für Spiele nach meinem Geschmack recht zuverlässig funktioniert. Das Jahr ging weiter, und plötzlich veränderte sich einiges in meinem Leben. Ich begann die Arbeit an meiner Masterarbeit. Die freie Zeit war mit einem Mal knapp und kostbar. Spiele blieben weiterhin ein wichtiger Anker in meinem Alltag. Trotzdem ist an der Frequenz der Artikel abzulesen, dass Welcome To Last Week ein Freizeitprojekt blieb, das den Haupttätigkeiten im Zweifel weichen musste. Und doch kamen auch in dieser Zeit Ideen auf, die bis heute geblieben sind. Meine Angespielt-Reihe geht auf den Juni 2021 zurück und ist bis heute fester Bestandteil aller Steam Next Fest-Events. Ich mag Demos und den wohldosierten Einblick, den sie in das fertige Spiel gewähren. Oft lässt die Demo schon einen Rückschluss auf die Qualität des Endprodukts zu. Und obwohl stressig, genieße ich die Inspiration, die solche Events mir geben.

Mit dem Adventskalender kam die bisher wirtschaftlichste Phase, so umschreibe ich die Tatsache, dass jeden Tag ein Artikel nach einem bestimmten Muster erscheinen musste. So wichtig der Adventskalender für unsere Aufrufe ist, so leer waren wir alle nach Weihnachten. Da war gerade noch Zeit für die Soundtrack des Jahres-Folge, die sogar meine Mutter gehört hat. Sie schickte mir kurz danach eine zweiminütige Sprachnachricht, in der sie meinen Musikgeschmack kommentierte. Damit wäre jetzt also geklärt: Würde ich Musik auf Familienfesten anmachen, die mir gefällt, würden wir gemeinsam die bucklige Verwandschaft vertreiben! Ihr gefielen meine Stücke, und auch ihre Abneigungen deckten sich interessanterweise mit meinen. Ich kann nun also mit Fug und Recht behaupten, dass ich es von ihr habe.

Auf das zweite Jahr

Doch noch etwas wurde Anfang des Jahres immer deutlicher. Zu viert ist das Aufrechterhalten eines Magazins eine Mammutarbeit, die nicht immer nur Spaß macht. Die Rückschläge sind vielfältig: Anfragen bleiben unbeantwortet, Spiele enttäuschen, Arbeit muss aufgrund von Terminüberschneidungen liegen bleiben und dann stimmen die Klicks trotz aller Arbeit nicht. Kein Wunder, dass kleine Steinchen das System zum Einstürzen bringen können. Mit dem „Ende“ von Corona und neuen Verpflichtungen kam ein Einschnitt auf uns zu. Wie viel Content können vier beschäftigte Menschen mit einem Privatleben überhaupt produzieren, ohne ihr Hobby zu verlieren? Doch das ist ganz normal, Magazine wachsen und schrumpfen, passen die Inhalte an und richten sich neu aus. Ich freue mich auf Jahr zwei mit Welcome To Last Week und vielen wunderbaren Indies.


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