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Pendragon Review | Das Klicken der Tafelrunde

Pendragon aus dem Hause inkle wagt sich mit strategischen Rundenerzählungen an die Legenden rund um König Artus.

Weißt du, was für eine Geschichte medienübergreifend dringend mal wieder aufgegriffen werden sollte? Die Artus-Sage! Das passiert so selten, ich habe schon längst wieder alles vergessen. Wie schön es doch wäre, wenn wenigstens mal alle paar Jahre ein neuer Film erscheinen würde, der sich damit befasst. Es ist wirklich schwer, einen popkulturellen Zugang zu diesem Thema zu finden, oder… was sagst du? Das passiert ständig? Kein Mensch interessiert sich mehr dafür? Das wurde schon aus allen möglichen Richtungen durchgekaut, dass selbst die frischesten Ideen wie ein alter Furz wirken? Das kann doch gar nicht sein! Es muss doch trotzdem möglich sein, dem altehrwürdigen König ein paar neue Ideen einzuhauchen! Schau mal, wenn so ein Studio wie inkle zum Beispiel ein Spiel namens Pendragon veröffentlicht, dann klingt das doch interessant, oder? Nein sagst du? Na hör mal! Da muss ich dir widersprechen, du Taugenichts! So haltet ein und leset meine Worte!

Der Anfang vom Ende

Fangen wir mal damit an, was wir über unseren alten Regenten so wissen. Er hat ein Schwert aus einem Stein gezogen, hatte einen Zauberer namens Merlin und seine Ritter saßen an einem runden Tisch. Schön und gut. Aber was kommt danach? Wie geht die Geschichte weiter? Da wird es schon dünn mit deinem Wissen, oder? Wusst ich es doch! Allein damit wird Pendragon dir schon etwas Neues erzählen. Artus Reich ist nämlich gefallen und sein Neffe Mordred versucht, die Macht an sich zu reißen. Artus selbst ist auf dem Weg, ihn zu stoppen und wir können in die Haut diverser Charaktere schlüpfen, um ihm zu Hilfe zu eilen. Ob Lancelot, Guinevere, Sir Kay oder unzählige andere Figuren aus dem Sagenkatalog. Allesamt haben unterschiedliche Startpunkte auf der britischen Insel und bewegen sich von Ort zu Ort, um rechtzeitig die Schlacht von Camlann zu erreichen, wo Arthus und Mordred aufeinandertreffen sollen.

Nach jedem Gebiet eröffnen sich einige Möglichkeiten, wo es als nächstes hingehen soll, was den Verlauf der Geschichte erheblich verändert. Dabei landen wir immer auf einem gerasterten Feld, auf dem mögliche Widersacher_innen rundenbasiert mit uns entweder ein Feld weiterziehen, Haltung wechseln oder Spezialfähigkeiten einsetzen. Haltung wechseln bedeutet, dass wir entweder diagonal über Felder ziehen können oder eben horizontal/vertikal. Ersteres färbt mehr Felder zu unseren Gunsten ein, was die Bewegungen der Gegner einschränkt, letzteres ermöglicht es uns, Angriffe zu fahren, um das Feld zu leeren. Die Runden sind vorbei, wenn wir entweder alle Widersacher_innen beseitigt haben oder ein bestimmtes Feld auf der anderen Seite erreichen. Jede Reise kostet außerdem Zeit, so dass die Tage vorüberziehen und jeder neue Morgen von uns verlangt, gefundene Rationen zu verzehren, um die Moral hoch zu halten und fit zu bleiben. Das klingt alles komplizierter als es ist, Pendragon geht sehr schnell sicher von der Hand.

Die Legende von Pendagron

Der wahre Zauber, wer hätte das bei dem Setting gedacht, liegt in der Erzählung. Durch die reichlichen Alternativen zur Wegfindung, die vielen unterschiedlichen Charaktere und zahlreiche Möglichkeiten, ein Gefolge mit eigenständigen Figuren aufzubauen, passen sich die Dialoge immer den Umständen an. Die ausgewählten Helden erzählen Geschichten am Lagerfeuer, kommentieren mit ihren Begleitungen die Umgebung oder schildern ihre Gedanken, sofern sie alleine sind. Die Varianz der unterschiedlichen Verläufe ist absolut beeindruckend. Das kommt dem notwendigen Wiederspielwert sehr entgegen, da eine Wanderung bis zur finalen Schlacht bereits in unter einer Stunde abgehakt werden kann. Je weiter wir kommen, je mehr wir von der Geschichte erleben, werden uns zusätzlich noch höhere Schwierigkeitsstufen freigeschaltet. So spielen wir Lauf um Lauf und entdecken stetig etwas Neues! Mal werden wir von einer Horde Diebe überfallen, mal stoßen wir auf ein hungerndes Dorf. Kämpfen wir dort oder bleiben wir friedlich und erhalten sogar neue Verbündete?

Pendragons Aufbau sorgt dadurch dafür, dass wir selbst einen Verlust nicht betrauern. Schließlich erzählt sich die Geschichte so eben anders, aber genauso interessant weiter. Bei einem Überfall durch eine Diebesgruppe wurde meine gesamte Truppe bis auf einen Charakter ausgelöscht. Der nahm die Beine in die Hand und machte sich nun alleine Richtung Camlann auf. Dabei traf er auf zwei Ritter, die Fahnenflucht begehen wollten, konnte sie aber doch davon überzeugen, ihrem König zur Unterstützung zu eilen. Gerade im Hinblick auf die vorherigen Geschehnisse ein starker, erzählerischer Moment. Hätte mich der katastrophale Kampf zuvor so frustriert, dass ich das Spiel beendet hätte, wäre mir dieser Moment entgangen. Zum großen Finale kommen wir also meist irgendwie auf die eine oder andere Art. Nur der Ausgang dort ist immer der gleiche. Artus steht in einem Zweikampf auf Leben und Tod gegen Mordred auf dem Feld und entscheidet dort die Zukunft des gesamten Landes.

Im Namen des Königs

Wir können jedoch entscheiden, ob wir unabhängig von unserer ersten Charakterwahl den finalen Kampf mit Artus oder der ursprünglich gewählten Figur bestreiten wollen. Im Gegensatz zu den vorherigen Auseinandersetzungen wird uns dann auch nicht mehr angezeigt, ob eine Entscheidung fatale Folgen haben könnte, was die Herausforderung nochmal deutlich erhöht. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich also den ersten Sieg über Mordred erringen konnte. Dass ich trotzdem so unverfroren weiter am Ball geblieben bin, spricht für die restliche Motivationskurve von Pendragon. Es liefert mir nicht genug Reize, um es stundenlang am Stück zu spielen, dafür setze ich mich gerne jeden Abend für ein bis zwei kleine Geschichten nieder und versinke im stimmungsvollen Britannien. Wie bei einem guten Märchen zum Einschlafen lasse ich mich überraschen, was so alles passiert, während Spinnen, Wölfe, Bären und feindliche Soldaten das Leben der Protagonist_innen erschweren.

inkle bleibt als Studio also seiner Linie treu, vor allem narrativ alles aus ihren Werken herauszuholen. Damit schaffen sie es, ein solch taktisches Genre selbst für größte Muffel dieser Art von Spiel interessant zu machen. Die Mechaniken sind so simpel gehalten, die Konsequenzen eine stetige Belohnung, unabhängig vom spielerischen Ausgang, dass Runde für Runde das Interesse am Spiel bestehen bleibt. Um damit auf die Fragen des Anfangs einzugehen: Natürlich verstehe ich Kritik daran, wenn schon wieder eine Geschichte rund um König Artus erzählt wird. Wenn ein Spiel es allerdings schafft, in so kurzen Häppchen mehr Vielfalt in dieses Thema zu bringen als unzählige Bücher und Filme zuvor, obwohl im Spiel nur ein so kurzer Zeitraum abgehandelt wird, ist das definitiv der frische Wind, den diese Sagen benötigen. So schaltet ein eure technischen Gerätschaften und waget euch auf diese Reise in die Vergangenheit, um wundersame Erzählungen in Pendragon zu erleben!

8/10 👑

Developer/ Publisher: Inkle
Genre: Narrative, Strategie
Team: Joseph Humfrey (Art and Code Director); Jon Ingold (Narrative Director); Tom Kail (Senior Designer, Developer); Anastasia Wyatt (2D Artist); Iain Merrick (Technical Developer)
Musik: Laurence Chapman (Composer)
Veröffentlichung: 22. September 2020 (Steam)

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