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VANE Review | Ein Wegweiser ins Nichts

Die Sonne blendet, der Wind kitzelt deine schwarzgrün funkelnden Federspitzen, während Du durch die Wüste fliegst. Du gleitest schwerelos; kein Aufwand. Nur Aufwind. Da hinten glitzert etwas. Sturzflug, Geschwindigkeit – du landest mit einem Basswummern in einem Teich aus Goldflocken. Und bist plötzlich…ein kleiner Junge? Und was nun?

Ich stöbere regelmäßig im Playstation Store nach neuen Spielen, deren Cover-Icon oder Spieletitel mich reizen. Wenn dieser Reiz etabliert ist dauert es ein paar Sekunden in denen ich entscheide, ob ich mir den Trailer anschaue. Beim PS4 exklusiven VANE – des in auf Stockholm und Tokyo aufgeteilten Studios Friend & Foe erfahrener Industrie-Vertreter – im fantastisch pastellig anmutenden Polygon-Look war das genauso. Das Cover und Logo sahen schon so aus, als ob das Spiel ganz in meine Kerbe schlüge.

Das Setting wirkt optisch stark wie durch Journey inspiriert (insert Refrain from „Don’t stop believing“ here), mit dem Gameplay-Element vom freien Fliegen aus AER – Memories of Old und einem tierischen Protagonisten. Es sieht aus wie ein Rabe, die Federn jedoch schimmern im Licht leicht perlmuttartig. Wenn ich den Trailer dann angeschaut habe entscheidet sich mitunter sehr schnell, ob das auf meine Kaufliste kommt oder nicht. VANE hat mich nicht so sehr abgeholt, dass ich es schnell gekauft hätte aber mich stark genug interessiert, dass ich den Promo-Code, der in unserer Redaktion gelandet ist, schnell unter meine Fittiche genommen habe.

Wie eine Fatamorgana.

Was ist VANE? „Vane“ steht für Windfahne, Flügelrad oder Wetterfahne. Wie ein Wetterhahn auf einem Häuserdach, nur mit individuell beweglichen „Wegweisern“. Ein solch eiserner Wegweiser steht in gigantisch großer Ausführung mitten an einer Klippenkante eines Canyons in einer Wüste. Daher wohl der Name. Soweit so gut. Was für einen Weg zeigt dieser Wegweiser?

Das Spiel beginnt wortlos mit einem Vogel, der durch ebendiese Landschaft gesteuert wird. Mit X schlägt er mit den Flügeln, um schneller zu fliegen, oder lässt sich ohne Knopfdruck über den Wind gleiten. Die Sonne wird gleißend vom Sand reflektiert, die Canyons sind tief und steinig. Da hinten ist eine Oase! Ja, echt, es ist wirklich Wasser. Kann der Vogel trinken? Muss er etwas trinken, um nicht zu sterben?

Nein, offenbar nicht. Kein Button lässt ihn vom Wasser kosten: Mit O wird abgebremst, Viereck scheint vorerst nicht besetzt und mit Dreieck gibt der Federfreund einen Laut von sich. Aus dem Wasser ragt eine Art Metallgestell. Wie ein Trichter der in einer Gittervorrichtung hängt. Einmal darauf gelandet werden mit Dreieck andere Artgenossen gerufen, die sich ebenso auf das Gerüst setzen. Mit dem gemeinsamen Gewicht kippt der Trichter und kanalisiert den Wind. Die Metallkonstruktion stößt einen Windstoß mit sonischem Druck in Richtung Wetterfahne und die Vögel machen sich auf den Weg.

 

Beim ersten Spielen ist es mir nicht aufgefallen, aber als ich eines Tages mit meiner Frau und meinem Sohn spazieren war und in den Himmel blickte, entdeckte ich einen Vogelschwarm, deren Mitglieder gemeinsam in Formation durch die Lüfte gezogen sind. Und da wurde mir innerlich bewusst: Folge den Vögeln! Die Raben weisen den Weg zum monumentalen Wegweiser. Im Zentrum sitzt eine Kugel in einer Art Käfig. Lassen sich hier alle Vögel gemeinsam nieder, knicken einzelne Streben ein und der Wegweiser zeigt in eine neue Richtung. Dort befindet sich eine neue Oase und ein neuer Windtrichter. Der führt wieder zurück, aber die Vögel der neuen Oase kommen mit und erhöhen das Gewicht auf die Wetterfahne. Allmählich bricht also der Wegweiser zusammen und die Kugel geht zu Bruch. Wo die Kugel in der Steinschlucht aufgeschlagen ist glitzert etwas. Sturzflug, Geschwindigkeit – der Gefiederte Hauptcharakter landet mit einem Basswummern in einem Teich aus Goldflocken. Und verwandelt sich in einen kleinen Jungen.

„Ich will ein echter Junge sein“

Nach etwas zielloser Reise zu Fuß wird ein Tor in der monumentalen Felswand sichtbar, welches in die… nennen wir sie mal Käfigfabrik führt. Im Kern des dunklen Gesteinsmassivs befinden sich Förderbänder an denen Käfige transportiert werden, worin unter anderem Vögel eingesperrt sind. Der kleine Junge rutscht in einer Metallschütte in einen dieser Käfige und wird abtransportiert. VANE bekommt einen düsteren Unterton, der in seiner wortlosen Ungreifbarkeit an Limbo oder Inside erinnert. Fortan muss sich befreit werden. Der kleine Held findet heraus, dass ein unbeabsichtigter Sturz in einen Abgrund in eine erneute Verwandlung zur Vogelform resultiert. Nun kann das endlos wirkende Bergwerk erkundet werden.

Hier spaltet sich der Keil von der Federspitze: Wo Journey, ABZÛ oder in gewissem Maße auch Limbo zum Erkunden einladen, finden sich dort immer wieder visuelle Fixpunkte, welche die Spieler_innen anlockt und auf den richtigen Weg leiten. Oder das Leveldesign ist so clever gestaltet, dass die Wegfindung automatisch und unbewusst passiert, weil in der Ferne Geheimnisse winken, die man nicht nicht erkunden kann. VANE fehlt dieser Leitfaden etwas. Auch hier gibt es zwar optische Fixpunkte aber nicht immer sind diese zum Zeitpunkt der Entdeckung auch der Lösungsweg. Ich habe einmal eine Höhle gefunden, in der ich vom Vogel zum Jungen geworden bin, dort aber einfach gar nichts machen konnte. Also musste ich wieder als Vogel die Höhle verlassen.

Dazu kommt eine gewisse Frustration durch technische Mängel: Performance-Einbrüche bei zu vielen Effekten auf dem Bildschirm und unschöne Bugs sind nicht der Untergang des Spiels aber definitiv störend. Darüber wäre hinwegzusehen, wenn da nicht häufig diese Ratlosigkeit in der Erforschung wäre. Fairerweise sei gesagt, dass dieses Leveldesign sicherlich Geschmackssache ist und mache Spieler_innen womöglich genau diese Freiheit genießen. Und um ehrlich zu sein macht das reine ziellose umher Fliegen so viel Spaß, dass sich ein Kauf (vielleicht im Sale) lohnen würde. Denn die Flugmechanik funktioniert. So hoch wie möglich in den unendlich wirkenden Himmel, im Sturzflug saust einem der Wind um die Ohren (Kopfhörer empfohlen) und im letzten Moment werden die Flügel ausgefahren, um nicht im Sand zu landen. Und wenn das dann doch passiert, wird in klassischer Singvogelmanier über den Wüstenboden gehüpft.

Die Frage ist nun, was von diesem Spiel erwartet wird. Reine und unassistierte Erforschung einer weiten brachen Welt mit dunklen unergründeten Höhlen, wunderschöne Grafik und eine mysteriöse Story? Dann ist VANE genau das richtige. Wer allerdings Gradlinigkeit in einem Spiel schätzt und an die Hand genommen werden muss, fühlt sich vielleicht schnell wie in der Wüste stehen gelassen. Alles in allem spricht VANE aber durch Visualisierung und Thema eher die Artsy Fartsy Gang an. Aber da bin ich doch stellvertretender Leiter, oder nicht? Dann muss ich vielleicht doch noch mal ran und mich weniger im Erforschen verzetteln. Denn zugegebenermaßen habe ich das Spiel nicht durchgespielt. Es hat aber auf jeden Fall verdient, abgeschlossen zu werden, soviel verspricht das geheimnisvolle Setting definitiv. Also schwinge ich jetzt mal wieder die Flügel.

7/10 <3

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Developer/Publisher: Friend & Foe
Team: Rasmus Deguchi (Art-Director), Ivar Dahlberg (Game Designer, Animator), Matt Smith (Pragrammer, Producer), Victor Santaquiteria (Artist, Programmer), Thomas Lilja (Audio Director)
Veröffentlichung: 15. Januar 2019 (PS4)

Autor: Dennis Strillinger

 

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