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Oh… Sir! The Hollywood Roast | PS4 Game-Review | Punchline oder Kalauer?

Seit Ende Mai ist Beleidigen mit Hollywood Charakteren auch auf der PS4 möglich. Doch wie beleidigend ist der Beleidigungsmeister der Beleidigungssimulationen eigentlich? Ich habe mich unter die Promis gemischt und ausgeteilt. 

Eine Szenerie wie zur High Noon. Leer gefegte Straßen, eine übersichtliche Kulisse und leichte, gemütserregende Untermalung. So stehen sich die beiden Duellierenden gegenüber und warten darauf, dass du ihnen die einzelnen Satzbausteine zusammenbastelst und in den Mund legst. Das Gegenüber soll schließlich mit einer überaus uncharmanten Formulierung in ihrer Prominenehre verletzt werden.

Eine Anzeige im oberen Bildrand informiert dich über deinen Gemütszustand und sagt dir, wie viel „Beleidigung“ dein Charakter noch verkraften kann. Verbünde dich mit Dirty Potter, The Greasy Wizard, Marilyn Nomore, Wisecrack, Nosferateen oder drei weiteren, um dich bis zum Produktionschef hochzubeleidigen. Namen und Aussehen gleichen natürlich nur rein zufällig denen mancher Filmfiguren oder Hollywood-Stars.

Das Kampfsystem läuft rundenbasiert. Abwechselnd suchst du dir passende Textbausteine, um deine_n Gegner_in möglichst tief zu treffen. Achte auf mögliche Schwachstellen wie Schönheit oder Vermögensverlust, sie geben Extrapunkte. Eine Combo durch wiederholte Nennung verdoppelt die Schwere der Beleidigung sogar. Hast du schon einiges einstecken müssen? Kein Problem, deine Wut staut sich zu einem immer mächtiger werdenden Comeback auf, das nur darauf wartet freigelassen zu werden. Du hast alle Charaktere in Grund und Boden beleidigt? Setze deine Reise gegen Freunde auf der Couch oder online fort.

Moment, die shiny Inhalte kennst du schon von Hollywood-Plakaten, die dich ins Kino zerren wollen? Bei denen du am Ende aber nur noch das Popcorn als gelungen aufführen kannst? „Oh… Sir! The Hollywood Roast“ besitzt leider einige Charakterzüge dieser Strategie.

Das Beleidigungssystem des zweiten Insult Simulator ist in seiner Struktur und Tiefe relativ schlicht gehalten. Nach einem Durchlauf kennst du nahezu alle Textbausteine. Die Möglichkeiten sind äußerst begrenzt, Struktur und Grammatik erscheinen simpel, Variationen wiederholen sich ständig. Um möglichst effektiv zu agieren reicht, mit etwas Glück, eine Aneinanderreihung von mehreren Satzfragmenten ohne großen Zusammenhang. Witz und Humor bleiben oft auf der Strecke und werden von „und/oder“ Fetzen vertrieben, die absolut keinen Sinn ergeben. Was „Oh Sir“ fehlt, ist eine reichhaltige Auswahl sinnvoller Inhalte, die auch tatsächlich das ergeben was drauf steht: Eine handfeste, pointierte, pop-kulturell relevante und humoristische „Beleidigung“. Das kann in kurzen Runden mit Freunden für ein paar Minuten durchaus Spaß machen, schlägt sich dann aber innerhalb kürzester Zeit mit großen Ermüdungslatten selbst auf den Schädel. Spaß weicht unglaubwürdigem Kopfschütteln, welches von der ewigen Frage „Ernsthaft?“ begleitet wird.

Die Mängel der geringen Variation ziehen sich ebenfalls durch die Comeback-Funktion und die freischaltbaren Inhalte. Da hast du schon wenig Möglichkeiten zur Auswahl und musst doch alles mühsam zusammenspielen, um wenigstens nicht jede „Beleidigung“ gleich zu gestalten. Was einmal schnell abnutzt, hat auch keine Chance sich online zu festigen. Ein virtuell umherrollender Wüstenstrohball wäre die bessere Animation für die Lobby, um die Wartezeit auf eine_n andere_n Spieler_in angenehm zu gestalten. Es ist jedenfalls in der ganzen Zeit des Spielens kein zu beleidigendes Onlinefutter erschienen.

„Oh… Sir! The Hollywood Roast könnte mit seinem charmanten, reduzierten Stil und dem durchaus vielversprechendem Grundkonzept zum Partyliebling werden. Es könnte als Lets Play Grundlage für Premium-Entertainment oder in Online-Duellen für Bauchkrämpfe sorgen. Doch der Beleidigungsmeister fischt nur an der beiläufigen Oberfläche. „Oh… Sir!“ ist die Art von Entertainment, die bereits im Trailer sämtliches Potential verpulvert. So wird jedes Duell zum immer gleichen, inhaltslosen Haferbrei, der beim ersten Löffel noch kleine Geschmacksnerven treffen kann, aber spätestens nach dem zweiten Happen völlig belanglos schmeckt. Dabei ist mit dem liebevollen Design und der (Menü-)Struktur – mit goldenen Papageien als Beleidigungstrophäen – durchaus Wille für Witz und Brauchbares erkennbar.

Das Partyspiel ist eine halbleere Hochglanzpopcornverpackung, die gar nicht erst aufgefüllt werden will. Ein unfertiges, dahingerotztes Produkt, das seinen Dienst erfüllt hat, sobald du deine virtuellen Taler an der Kasse des PSN (wahlweise Steam, Google, Apple oder Nintendo) abgegeben hast. Da mutiert der Betrag von 4,99 € zur pointiertesten Beleidigung des ganzen Spiels.

4/10 <3

Developer/Publisher: Viele Monarch/Good Shepherd Entertainment
Designer: Kacper Kwiatkowski, Grzegorz Mazur
Veröffentlichung: 31. Mai 2017 (Steam, Andoid, iOS/3,99€)/ 18. Januar 2018 (Switch/3,49€)/29. Mai 2018 (PS4/4,99€)

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