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Svoboda 1945: Liberation | Ein Stück Erinnerungskultur

Charles Games führt seine intensive Erinnerungskultur im bald erscheinenden Svoboda 1945: Liberation fort.

Charles Games erlangten Mitte 2018 mit Attentat 1942 größere Aufmerksamkeit. Ein Spiel, das unter dem Titel Československo 38-89 eigentlich schon im Jahr 2015 erschien. Ein Paragraph in Deutschland sorgte jedoch dafür, dass das Tschechische Studio das Spiel vorerst nicht in Deutschland veröffentlichen konnte. Sogar auf dem A MAZE Festival 2018 in Berlin konnte es zwar mit dem Hauptpreis ausgezeichnet werden, niemand aber von dieser lesen. Denn hierzulande wurden bis August 2018 pauschal alle Videospiele nicht zugelassen, die verfassungsfeindliche Symbole, wie die des dritten Reiches trugen. Bildungsauftrag und künstlerischer Inszenierung zum Trotz. Gut (oder schlecht) wer da genug finanzielle Kraft im Rücken hatte, um Spiele für den deutschen Markt ohne diese anpassen zu können.

Für das Indie Studio Charles Games, das zwar von Ministerium für Kultur der Tschechischen Republik gefördert wurde, war das nicht möglich. Das Serious Game sollte dann aber doch noch von diesem Paragrafen profitieren. Denn neben der gamescom-Demo in 2018 zu Through the Darkest of Times, war Attentat 1942 tatsächlich das erste Spiel in Deutschland, das von dem neuen Kennzeichnungsprozess profitierte und mit verfassungsfeindlicher Symbolik zum Verkauf zugelassen wurde. Fast absurd, dass dieser Paragraph erst Mitte 2018 überarbeitet worden ist, können Filme, Bücher und weitere Medien zum Zwecke des Bildungsauftrags oder der künstlerischen Freiheit seit jeher davon gebrauch machen. Ein kleiner Schritt auf dem Weg der Videospiele zur Gleichstellung als akzeptiertes und ernstzunehmendes Medium der Künste.

Erinnerungskultur durch Familiäre-Investigation

Charles Games leisten einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur. Durch eine persönliche Herangehensweise werden Ereignisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg und dessen Konsequenzen spielerisch transportiert. Durch einen Mix aus Einspielern, Full Motion Video Sequenzen mit Entscheidungselementen und illustrierten Comics hat das Studio mit Attentat 1942 einen intensiven Zeitzeugen geschaffen. Auf das zweifelhafte Glück des ersten wird ihr Nachfolger nicht bauen können, wohl aber auf das Talent des Studios solche Inhalte sensibel und mit adäquaten historischen Kenntnissen im Rücken zu tragen. Svoboda 1945: Liberation konzentriert sich auf Tschechien 1945, als die Gräuel des Zweiten Weltkrieges noch nicht ganz beseitigt waren, die Menschen sich dennoch unmittelbar mit Vertreibung und einem kommunistischen Staatsstreich konfrontiert sahen.

Abermals tauchst du jedoch nicht direkt in diese Thematik ein. Du kommst für eine Entscheidung über den Verbleib eines Schulgebäudes in etwa 50 Jahre später damit in Berührung. Zu klären ist, ob das alte Schulgebäude im Dorf an der Tschechisch-Deutschen Grenze einem Neubau weichen kann oder aber historischen Wert besitzt und bestehen bleiben muss. Doch schon bei der ersten Besichtigung findest du ein altes Foto deines Opas in Uniform, das eine starke Involvierung in das damalige Geschehen suggeriert. Eine intensive Recherche bleibt unerlässlich, um die Bedeutung des Gebäudes und die Vergangenheit deines Opas zu klären. Und so tauchst du ein in Gespräche und Erzählungen, inspiriert von dort lebenden Menschen und Überlebenden des Zweiten Weltkrieges. Du sammelst Information um Information und versinkst in, als animierten Comic Panels bebilderten, Geschehnissen.

Svoboda 1945: Liberation konserviert die Geschichte einer ganzen Generation

Schon die Demo von Svoboda 1945 hat mich tief ergriffen, aber auch Neugierig gemacht. Die Kombination aus real und vor allem glaubhaft inszenierten Interviewsituationen, Recherche per Point-and-Click und Comic like Erzählung vermittelt längst vergangene Inhalte spielerisch. Inhalte, die uns so langsam entgleiten, wenn wir sie nicht erlebbar konservieren. Und das können Videospiele ebenso gut wie Bücher oder Film – wenn nicht sogar deutlich besser. Und genau dort sind auch verfassungsfeindliche Symboliken nicht nur angebracht, sondern nötig. Denn sie verstärken die Gräuel der Zeit, weil wir alle wissen wofür sie stehen. Weil sie einen menschenverachtenden Ausdruck enorm verstärken. Symbole, die ekelhaft, aber wichtig sind, um damalige Umstände ansatzweise nachvollziehen zu können.

Svoboda 1945: Liberation erzählt die Geschichte von der Befreiung der Naziherrschaft und von der Vertreibung der Deutschen, von der auch meine Familie betroffen war. Es erzählt von kommunistischer Kollektivierung und den moralischen Dilemmas des Wiederaufbaus der Tschechoslowakischen Republik. Da diese Generation inzwischen nahezu komplett nicht mehr unter uns weilt und ihre Geschichten selbst verbreiten kann, habe ich große Lust ihnen in Videospielgestalt zuzuhören. Um mich zu erinnern, um mir meiner Verantwortung nicht nur bewusst zu sein, sondern sie immer und immer wieder zu erneuern. Svoboda 1945: Liberation erscheint am 3. August 2021 auf Steam.  

  

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