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There Is No Game: Wrong Dimension Review | Keine Review – nicht lesen!

There Is No Game Wrong Dimension

Mit There Is No Game: Wrong Dimension erschaffen Draw Me A Pixel kein Spiel, sondern eine Meta-Erfahrung der besonderen Art.

Fast alle Kickstarter-Kampagnen, für die ich mich bisher interessiert habe, haben ihre Zahlungsziele mehr als übererreicht. Bei There Is No Game: Wrong Dimension war das anders. Als der französische Entwickler Pascal Cammisotto 2015 die kostenlose App There Is No Game herausbrachte, gab es ein lautes, positives Echo. Ein Jahr später konnte er bereits zwei Millionen Downloads seines Nicht-Spiels verbuchen und dachte sich: Da geht mehr. Seine Kickstarter-Kampagne für die Weiterentwicklung des etwas zehnminütigen mobile Games scheiterte kläglich. Cammisotto konnte nur rund zehn Prozent seiner Wunschsumme von 32.000 Euro generieren. Zum Glück waren er und sein Freund und Mitentwickler Guillaume Vidal entschlossen genug, ihre Vision trotzdem in die Tat umzusetzen. Wo kein Geld ist, da ist eben auch kein Spiel. Selber schuld.

Hilfe, There Is No Game: Wrong Dimension hasst mich!

Eines schummrigen Abends, als ich Steam öffnete, sah ich es: Jemand hatte mir ein Spiel geschenkt. Dieser Jemand war mein Freund. Dieses Spiel war There Is No Game: Wrong Dimension. Ich hatte keinen Schimmer, was mich erwartet. Er schon. Deshalb saß er auch konsequent die gesamten sechs Stunden, die ich für das Point-and-Click Adventure brauchte, schelmisch grinsend neben mir. Ich konnte die Erwartungshaltung in meinem Nacken spüren wie das kratzige Etikett eines neuen Pullovers. Na, kommt sie darauf? Wie lange wird sie wohl für dieses Rätsel brauchen? Ich brauchte. Ich rätselte und fluchte, war latent genervt und restlos begeistert. There Is No Game: Wrong Dimension ist kein Spiel – es ist eine Achterbahn der Gefühle. Und eine Reise ins Innere von Videospielen und Entwickler_innenseelen. Auf jeden Fall ist es anders als alles, was ich bisher kannte.

Schon der Startbildschirm des Nicht-Spiels stellt eine Herausforderung dar: Klicke ich auf den dezenten Kein Spiel hier-Button, oder auf das mit vier fetten, roten Pfeilen versehene Hier lang-Symbol? Entscheide ich mich für die einladende Variante zwei, versucht das Spiel mich sehr direkt und ohne Umschweife herauszukicken. So geht es erst einmal eine ganze Zeitlang weiter. Wo auch immer es geht, werde ich darum gebeten, mich doch bitte, bitte schnellstmöglich wieder zu verpieseln. Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen. Husch husch, raus mit dir, aber dalli. Das wird mir von der männlichen Off-Stimme, die einen sehr deutlichen russischen Akzent hat, aber pedantisch darauf besteht, keinen russischen Akzent zu haben, immer wieder eingetrichtert. Schnell merkt er aber, dass ich mir von einem Spiel überhaupt nichts sagen lasse. Vor allem nicht, wenn es behauptet, gar kein Spiel zu sein. Also setzt er auf Sabotage.

Falsche Dimension: Dieses Spiel ist nicht von diesem Stern

Während ich verzweifelt versuche, das vermeintliche Spiel zu starten, legt es mir immer größere Steine in den Weg. Der Start-Button ist nicht nur hinter dem Logo versteckt, sondern auch noch hinter einer Klappe mit vier Schräubchen verborgen. Mithilfe kreativer Interaktion mit den Bildschirmelementen muss ich versuchen, mir einen Weg ins Innere zu bahnen. Dabei ist alles, wirklich alles, denkbar und kann Teil des Spielerlebnisses sein. Wer schon einmal in einem Escape Room war, weiß: Pack alles an, dreh alles um, schraube an jedem verdammten Knopf. Genauso ist es auch hier. Klicken und Ausprobieren sind essentiell, um dieses Spiel, dass explizit nicht gespielt werden möchte, auszutricksen. Die Mechaniken, die dafür verwendet werden, sind so kreativ und einzigartig, dass ich oft nur anerkennend nicken konnte. There Is No Game: Wrong Dimension hat das Genre Point-and-Click Adventure genommen und ist damit tatsächlich in eine neue Dimension aufgebrochen. Eine bessere.  

So sehr ich euch auch auf diese phänomenale Reise mitnehmen möchte, so wenig Details kann ich mit euch teilen. Dieses Meta-Game lebt davon, von seinen Spieler_innen am eigenen Leib erfahren zu werden. Ohne zu konkret zu werden, kann ich euch aber verraten, dass ihr sehr stark mit der Umgebung interagieren müsst. Eine Szene spielt beispielsweise in einem Sherlock Holmes-Adventure, in dem ihr als Spieler_innen Einfluss auf die Kulisse nehmen könnt – und müsst! Ihr seid quasi mittendrin statt nur dabei und seht, was euch sonst hinter dem Bildschirm verborgen bleibt. Das ist nicht nur super interessant, sondern macht auch einfach nur Bock. In jedem neuen Bild erwarten euch neue Rätsel, die allesamt dem Schema folgen: Wenn man’s weiß, ist es einfach. Aber bis ihr an dem Punkt seid, könnt ihr euch ordentlich die Zähne ausbeißen. Denn hier ist nicht nur Kombinationsgabe, sondern Kreativität gefragt.

Wäre dies eine Review, wäre sie sehr positiv

Wäre There Is No Game: Wrong Dimension ein Spiel, würde ich sagen, dass Story und Rätsel absolut grandios sind. Darüber hinaus ist es auch noch überaus witzig. Zu dem eingangs erwähnten – nicht russischen! – Sprecher habe ich im Laufe der Erfahrung eine emotionale Bindung aufgebaut. Wollte er mich zunächst noch vehement loswerden, merkt er irgendwann, dass ich ihm vielleicht doch nützlich sein könnte. Denn bei allem Spaß gibt es ein Problem, dass wir gemeinsam besiegen müssen: Mr. Glitch. Der hat sich in das Spiel, das keines ist, eingeschlichen und jagt mich durch verschiedenste Dimensionen. Um Mr. Glitch zu beseitigen, muss ich aber einen langen Weg auf mich nehmen. Nicht zuletzt durch ein Free-To-Play RPG, das wirklich alles Schlechte vermeintlich kostenloser Spiele in sich vereint. Du möchtest durch diese Tür gehen? Dann lass mal Münzen rüberwachsen. Du möchtest dein Schwert benutzen? Münzen bitte. Du brauchst Licht? Münzen, Münzen, Münzen.

Selten habe ich kein Spiel gesehen, das so viele Minispiele in sich vereint. Dadurch, dass verschiedene Genres aufs Korn genommen werden, habe ich die gesamten sechs Spielstunden über keine Langeweile empfunden. Manchmal Zorn, das gebe ich zu. Es kann schon zermürbend sein, permanent gegen ein Spiel anzukämpfen und seine Mechaniken aushebeln zu wollen. Die charmante Pixelgrafik, die There Is No Game: Wrong Dimension von ihrem mobilen App-Vorgänger übernommen hat, passt perfekt zu dem etwas unfertigen Retro-Charme, den das Adventure versprüht. Wenn ich es überhaupt Adventure nennen kann – oder darf. Denn eigentlich ist das kein Spiel. Es ist ein Erlebnis.

9/10 ⛔🙅🏼‍♀️

Developer/Publisher: Draw Me A Pixel
Genre: Point-And-Click Adventure
Team: Pascal Cammisotto (Drehbuch & Regie), Guillaume Vidal (Programmer), Sophie Peseux (Production, UX-Design), Nico Nowak, Amélie Guinet, Théophile Loaec, Pascal Cammisotto (2D-Designers)
Musik: Xiaotian Shi
Auszeichnungen: Best Game Design (Pégases 2021)
Veröffentlichung: 06. August 2020 (Steam, GOG, Android, iOS), 14. April 2021 (Switch)

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