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Willy Morgan and the Curse of Bone Town Review | Ahoi, ihr Landratten

Point-and-Click, wie wir es lieben – und hassen: Willy Morgan and the Curse of Bone Town kann Spaß machen und zur Weißglut treiben.

Meine Mama liebt Point-and-Click Adventures, deshalb kam ich – zumindest als Erdnussflips naschende, auf dem Sofa eingekuschelte Beobachterin – schon recht früh mit diesem Genre in Kontakt. Das erste Adventure dieser Art, an das ich eine halbwegs brauchbare Erinnerung habe, ist Runaway: A Road Adventure aus dem Jahr 2001. Wahrscheinlich hat mein achtjähriges Ich damals nicht einmal die Hälfte der Jokes und Anspielungen gecheckt, aber die Sympathie für dieses skurrile Genre, das uns in einem Moment so sehr belohnen und im nächsten so sehr in den Wahnsinn treiben kann, ist geblieben.

Eines der wohl berühmtesten Adventures im Point-and-Click Universum, Monkey Island, habe ich selbst nie gespielt. Trotzdem kenne ich es und weiß aus schwärmerischen Erzählungen, dass es eine echte Legende ist. Willy Morgan sagt von sich selbst, in Sachen Humor und Atmosphäre an den Klassiker angelehnt zu sein. Ob das so ist, könnt ihr nach dieser Review wahrscheinlich besser beurteilen als ich. Piraten gibt’s auf jeden Fall auch.

Kennste ein Point-and-Click Adventure, kennste alle

Willys Vater, ein angesehener Archäologe, ist spurlos verschwunden, als unser nun 15-jähriger Hauptcharakter noch ein kleiner Junge war. Zum 10. Jahrestag seines Verschwindens flattert ein Brief durch den Türschlitz – verfasst von seinem Vater, datiert auf den Tag, an dem er zuletzt gesehen wurde. Darin enthalten ist die Bitte, dass Willy sich umgehend auf den Weg nach Bone Town machen solle, wenn ihn dieser Brief jemals erreiche. Er sei in Gefahr, fühle sich verfolgt, irgendetwas ginge nicht mit rechten Dingen zu. Willy wollte zwar gerade ein Bad nehmen und danach einkaufen gehen – aber hey, die Chance, seinen totgeglaubten Vater zu retten, bekommt er nicht alle Tage, oder? Müssen wir sonst oft weite Reisen durch unwegsames Gelände auf uns nehmen, um in Videospielen an unser ersehntes Ziel zu gelangen, ist Bone Town zum Glück nur ein paar Stündchen Radweg entfernt. Nur unser Rad, das müssen wir erst zusammenbauen.

Und hier kommen wir zur Überschrift dieses Abschnitts: Kennste ein Point-and-Click Adventure, kennste alle. Das ist vielleicht überspitzt, aber ich denke wir sind uns einig, dass die Spielmechaniken dieses Genres sich oft sehr ähnlich oder zumindest recht schnell zu erlernen sind. Willy Morgan nimmt uns trotzdem an die Hand und zeigt uns anfangs anhand einfacher Rätsel, wie die Steuerung funktioniert, Gegenstände untersucht und kombiniert werden können. Auch wenn ich schon etwas Point-and-Click Erfahrung habe, fand ich das ganz angenehm, um entspannt in das Spiel reinzukommen. Wer darauf keine Lust hat, kann das Tutorial aber auch einfach skippen. Erste Schmunzelmomente gibt es an dieser Stelle auch bereits – etwa wenn Willy ganz casual ein Rad seines Bikes in sein kleines Umhängetäschchen steckt. Absurd, aber gut – so mögen wir das. Haben wir alle Teile unseres Rads gefunden und zusammengesteckt, kann es auch schon losgehen: Papa, wir kommen! Auf nach Bone Town!

Willy Morgan and the Curse of Bone Town erfindet die Piratenwelt neu

Bei der Ankunft schrotten wir unwiderruflich unser Bike – blöd, wenn man ausgerechnet die Bremsen vergisst. An Zurückkommen ist also vorerst nicht zu denken. Schade eigentlich, denn im creepy Mondschein sieht das verlassene Piratenstädtchen Bone Town gar nicht mal so einladend aus. Unser erster Kontakt mit einem Bewohner, dem ruppigen Besitzer des alten Gasthauses, schreit auch nicht gerade nach Willkommensparty. Obwohl wir der erste und einzige Gast zu sein scheinen, dürfen wir das Appartement, das unser Vater uns in seinem Brief explizit für unseren Aufenthalt genannt hat, nicht beziehen. Hier stimmt etwas ganz und gar nicht. Über diesem Ort liegt eine Art mysteriöser Schleier, so als wüssten alle anderen etwas, was wir nicht erfahren sollen. Auch Willy merkt das. Obwohl er auf sich allein gestellt ist und ein bisschen Hilfe der Dorfbewohner eigentlich gut gebrauchen könnte, ruft er sich immer wieder die mahnenden Worte seines Vaters ins Gedächtnis: Vertraue niemandem.

Wo bleiben jetzt eigentlich die eingangs erwähnten Piraten? Erst einmal muss festgehalten werden, dass Willy Morgan nicht in einer klassischen Piratenwelt spielt, sondern in einer sehr modernen, gepimpten Version. Bone Town mag über die Jahre ein bisschen heruntergekommen sein, Konsolen und 3D-Drucker gibt es hier aber trotzdem. Wir befinden uns im Hier und Jetzt, suchen aber nach Hinweisen aus längst vergangenen Zeiten. Unser Ziel ist, die Teile einer alten Schatzkarte zu finden und wieder zusammenzusetzen. Nur so können wir das Rätsel um das Verschwinden von Willys Vater lösen. Wer jetzt schon gähnt: 1. Hand vor den Mund! 2. Gebt Willy eine Chance. „Arrr“ und „Aye“, Piraten und Papageien – das alles mag schon viel zu oft durchgekaut worden sein. Ich habe mit dieser Welt eigentlich überhaupt nix am Hut. Die Mischung von alten und modernen Elementen verleiht dem Adventure aber einen einzigartigen Charme und verhilft dem etwas angestaubten Piratenthema zu neuem Glanz.

Screenshot Time: Wunderschöne Grafik mit leichten Schwächen

Womit sich Willy Morgan and the Curse of Bone Town hervorheben kann, ist definitiv die Optik. Vom ersten Gameplay-Trailer getriggert, hatte ich schon hohe Erwartungen, die noch einmal übertroffen wurden. Der moderne 3D-Stil, die kräftigen Farben, die vielen Details – ich habe echt viele Screenshots gemacht und war von jedem neuen Ort, den ich entdeckt habe, begeistert.

Gegen so viel Liebe zum Detail wirken die Figuren doch leider fast etwas fad. Ihre Art zu gehen und zu sprechen sind etwas zu hölzern, um in die moderne 3D-Kulisse des Adventures hineinzupassen. Auch die Vielfalt der Charaktere könnte größer sein: Zwar sind alle (Männer, denn es gibt bis auf eine Ausnahme nur männliche Charaktere) Bewohner etwas schräg, aber für mich hätten sie noch eine Spur übertriebener sein können, um wirklich Eindruck zu hinterlassen, mich zu überraschen und vielleicht auch öfter zum Lachen zu bringen.

Willy, ich komm dir gleich da rüber – mach hinne jetzt!

Kommen wir wohl zum wichtigsten, aber auch frustrierendsten Part eines jeden Adventures: die Rätsel. Nirgendwo liegen Freud und Leid so nah beieinander. Willy Morgan hat mich da zunächst überrascht, denn erstaunlicherweise kam ich sehr flüssig durch. Die Rätsel sind nicht allzu crazy, die Kombinationsmöglichkeiten überschaubar. Vor allem geübtere Abenteurer_innen sollten da keine Probleme haben. Aber meistens ist da ja diese eine Stelle. Diese Stelle, an der du etwas sehr oft versuchst, der Hauptcharakter sehr oft den gleichen süffisanten Spruch ablässt und du ihn gerne aus dem Bildschirm ziehen und ihm eine klatschen möchtest. Ich hatte diesen Moment. Und das Schlimmste: Ich hatte auch schon die richtige Lösung, es hat aber trotzdem nicht geklappt. Hätte ich nicht durch Zufall und nach ewigem Rumprobieren irgendwann das erlösende „Pling“ gehört, ich weiß nicht, ob ich die Muße gehabt hätte, mich mit etwas Abstand noch einmal an das Rätsel zu setzen.

Natürlich kann ich einfach Pech gehabt oder mich ein bisschen dämlich angestellt haben. Mein Freund, den ich, schon leicht gereizt, auch auf das Rätsel losgelassen habe, muss dann aber anscheinend das gleiche Brett vorm Kopf gehabt haben, denn auch er kam an der Stelle nicht weiter. Das ist schade, weil es das insgesamt sehr gute Spielgefühl deutlich getrübt hat und fast dazu geführt hätte, dass ich das Spiel genervt zur Seite lege. Das soll euch aber nicht abschrecken, denn Willy Morgan and the Curse of Bone Town ist ein wunderbares Adventure, dass nicht allzu lang dauert (wenn ihr euch nicht so blöd anstellt wie ich), wunderbar hübsch aussieht und einfach Spaß macht. Die Story ist nicht weltbewegend, aber in sich schlüssig – einzig das Ende kam mir ein bisschen zu abrupt. Hat Willy Morgan das Zeug, eine Legende zu werden wie einst Monkey Island? Glaub ich nicht. Könnt ihr damit ein paar unterhaltsame Stunden verbringen? Definitiv.

7/10 🏴‍☠️

Developer: imaginarylab
Publisher: VLG Publishing, WhisperGames
Genre: Point-and-Click Adventure,
Team: Diego Rossi (3D Artist), Giuliano di Maiolo (Character Designer), Massimo Origano (Software-Entwickler)
Veröffentlichung: 11. August 2020 (Steam, GOG)

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