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Tiny Racer Review | Spielzeugautos auf Geisterfahrt

In Tiny Racer fahren wir mit kleinen Fahrzeugen im Kinderzimmer und am Strand um die Wette.

Das Genre der Fun-Racer wurde seit jeher dominiert von Nintendos rotem Klempner und seinen Freunden, die 1992 in Super Mario Kart ihr Debüt feierten. Eine hartnäckige Nische stellen aber die Rennspiele im Miniformat dar, denn schon ein Jahr vor Mario Kart stand Micro Machines in den Startlöchern. Dort jagten Spielende mit Spielzeugautos durch das ganze Haus. Auch Tiny Racer von IceTorch Interactive braust in den selben Gefilden umher. Im Duell gegen die KI oder Freund_innen soll versucht werden, ein chaotisches Rennfeeling aufkommen zu lassen.

Minibus, Polizeiwagen und Musclecar in Tiny Racer

In Tiny Racer treten wir in drei verschiedenen Modi zum Rennen an. Die Turniere sind dabei der Hauptmodus, bei dem wir neue Strecken freischalten. Eines von acht Autos dürfen wir auswählen. Das wäre vollkommen in Ordnung, wenn die fahrbaren Untersätze sich spielerisch unterscheiden würden. Dies ist aber nicht der Fall. Lediglich die optische Präferenz spielt hierbei eine Rolle. Zum Zwischendurchspielen bietet sich der Arcade Modus an, bei dem wir eine der 15 Strecken einzeln anwählen können. Die meisten Kurse sind allerdings uninspirierte Aneinanderreihungen der gleichen Straßen- und Baumassets. Lediglich vier Strecken heben sich vom Einheitsbrei ab. Dort dürfen wir in Kinderzimmer, Badezimmer, Küche und am Strand herumflitzen. Time Trial lädt zum Verbessern der Rundenzeiten und Streckenkenntnis ein. Doch das ist gar nicht so einfach in diesem Racer im Taschenformat, denn das Spiel bringt einige Fehler mit sich, die kaum Platz bieten das eigene Können zu entfalten.

Wie bereits erwähnt gibt es keine Performanceunterschiede bei den acht wählbaren Automobilen. Wäre es nicht deutlich lustiger und abwechslungsreicher gewesen, das Supercar mit einer höheren Geschwindigkeit auszustatten, während der Minibus seine Kontrahent_innen von der Strecke drängen kann? Andererseits hätte das vielleicht kaum einen Unterschied gemacht, denn die Steuerung von Tiny Racer kann als solche nicht bezeichnet werden. Klar, jedes arcadige Racing Game lässt die Fahrzeuge übersteuern und durch Kurven wie auf Schienen gleiten. Der Knackpunkt bei Tiny Racer ist nur, dass die Steuerung einfach ihr eigenes Ding macht. Zu völlig zufälligen Zeitpunkten mitten im Rennen beginnt das Fahrzeug auf eigene Faust auszubrechen und Haken zu schlagen. Wer jetzt ohne nachzudenken „Joycon Drift!“ schreit, dem sei versichert: Meine Switch ist von diesem verbreiteten Problem nicht betroffen, denn alle installierten Rennspiele von Mario Kart bis zu obskuren 0.99€ Titeln lassen sich anstandslos steuern  – nur eben nicht Tiny Racer.

Vorne Silberpfeil, hinten Sonntagsfahrer

Der nächste Punkt auf der Liste der Dinge, die mich beim Spielen von Tiny Racer in den Wahnsinn getrieben haben: Die computergesteuerten Gegner_innen verkörpern den Inbegriff von Inkonsistenz. Die weiter hinten im Feld startenden Fahrer_innen stellen sich nicht nur ausgesprochen doof an, sie lassen auch keine Chance auf einen heftigen Crash aus. Damit nicht genug, oftmals geben sie danach komplett den Geist auf und drehen sich auf der Stelle oder fahren einfach nicht mehr weiter. So geben sie höchstens lustige Requisiten für die in den nächsten Runden vorbeifahrenden Spieler_innen ab. Ganz im Gegensatz dazu rasen die vorderen KI-Fahrzeuge mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit durch den Kurs. Ohne einen Gummibandeffekt gibt es kaum eine Chance diese potenten Computerautos wieder einzuholen, sollten wir unabsichtlich in einen Crash verwickelt werden oder von der Strecke abkommen.

Doch im Prinzip kann uns die Platzierung im Tunierrennen egal sein, denn das nächste Turnier und somit neue Strecken habe ich auch mit Gesamtrang vier freigeschaltet. Podiumsplatz oder gar der Sieg werden somit nicht zur Voraussetzung fürs Vorankommen in Tiny Racer. Aber halt, vielleicht macht das Spiel ja trotz nerviger Steuerungsfehler in freundschaftlicher Runde mit Gamingkolleg_innen Laune? Ihr könnt euch vorstellen, wie der letzte Hoffnungsschimmer gewichen ist, als ich festgestellt habe, dass Tiny Racer trotz acht Startplätzen pro Rennen den lokalen Koopmodus auf mickrige zwei Spieler_innen begrenzt. Online mit anderen konkurrieren? Fehlanzeige.

Tiny Racer bietet zu wenig Möglichkeiten und nerviges Gedudel

Bei so vielen Makeln ist es fast unnötig zu sagen, aber der Sound von Tiny Racer treibt mich in den Wahnsinn. Das Gedudel im Hauptmenü gehört auf die Kirmes und nicht auf die Switch. Die Motorensounds der Autos erinnern mich an meine elektrische Zahnbürste. Sie unterscheiden sich nicht einmal zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen. Mir fallen unzählige Rennspiele ein, die ich für das hervorragende Sounddesign loben könnte, Tiny Racer ist einfach nur nervig und wird, wenn überhaupt,  mit abgedrehtem Ton gespielt.

All diese Dinge summieren sich zu einem Gemenge, das einfach nicht funktioniert. Jedes Erfolgserlebnis beim Spielen wurde für mich im Keim erstickt. So leid es mir tut, mir fallen im Rennspiel Tiny Racer keine positiven Eigenschaften auf. Schade, denn schon ein besserer Multiplayer und eine funktionierende Steuerung hätten aus einem katastrophalen ein durchschnittliches Spiel machen können. Doch wenn ein Funracer, dessen einzige Aufgabe es ist Spaß zu machen, keinen Spielspaß vorweisen kann, dann hat IceTorch klar das Entwicklungsziel verfehlt. Tiny Racer ist ein herzloser Micro Machines Klon, der technisch nicht funktioniert und spielerisch niemanden begeistern wird.

2/10 💥🚗

Developer/Publisher: IceTorch
Genre: Funracer, Rennspiel
Veröffentlichung: 31. Juli 2020 (Switch)

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