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Edgar – Bokbok in Boulzac Review | Verschwörungstheorien mit Huhn

Edgar – Bokbok in Boulzac, ein Kürbisbauer und sein Huhn kämpfen gegen die Verschwörung.

Oftmals bist du erstaunt darüber, wie einfach deine sonst so komplexe Welt funktioniert. Da flattert ein Spiel direkt in deine Synapsen und alles was du mitnimmst ist. „Ein Huhn! Oh mein Gott, in dem Spiel ist ein Huhn!“ Ab hier wäre eigentlich alles andere egal, denn dass du Edgar – Bokbok in Boulzac spielen wirst, war mit der Einführung des Huhns beschlossene Sache.

Doch Edgar – Bokbok in Boulzac besitzt nicht nur ein Huhn als Anreiz deiner Spieleslust. Ebenso wurden dicke, runde Kürbisse beworben. Ein Feature, das für dein Interesse abermals allein funktioniert hätte. Und so wurden Huhn und Kürbisse in eine kantig verschrobene Comicwelt eingewebt, die mit Absurditäten, eigensinnigen Charakteren und eigentümlichem Humor angereichert wurde. Ein sehr reduziertes Point and Bok Adventure, das eher auf seine Narrative achtgeben mag. Klingt doch eigentlich nach der Garantie, um dich zu verzaubern.
„Och nee, habe ich jetzt schon wieder dieses eigentlich eingebaut? Was ist denn jetzt schon wieder?“

Doch was dich hat einst hineingezogen, ist alsbald und flugs verflogen

Der Kürbisbauer Edgar lebt zufrieden abseits von der Gesellschaft mit seinem Huhn Precious in einer klobigen Holzhütte im Wald. Was ihn glücklich macht sind schlafen, essen, duschen und seine Kürbisse. Für die hat er eigens eine automatische Bewässerungsanlage kreiert. Doch als ihm das Mittel zur Insektenfernhaltung ausgeht, werden seine Panzerbeeren unmittelbar von Fliegen bevölkert, die nur verrotteten Kompost zurücklassen.
Es hilft nichts, Edgar muss über den See in das kleine Örtchen Boulzac, um die wichtigste Zutat des Pflanzenschutzes zu besorgen, Razidium. Doch von diesem Razidium wollen die Bewohner_innen des Dorfs noch nie etwas gehört haben. Ist Edgar hier einer Verschwörung auf den Fersen?

Doch deine lieben Kürbisse musst du schon nach geschätzten fünf Minuten verlassen, während dich dein Huhn noch anhänglich verfolgt. Manch Abhandlungen des schrulligen, metallsieb tragenden Edgar kommentiert es unermüdlich und argwöhnisch mit variierenden Versionen eines „Bok!?Booook!“, doch viel mehr Beachtung wird deinem Anreiz schaffendem Hauptverkaufsargument nicht entgegengebracht. Zwar ist es äußerst goldig mit anzusehen, wie die beiden durch die Gassen des Dörfchens hetzen, doch mehr Huhn hätte dem eigentlichen Bokbok tatsächlich gut gestanden. Und definitiv mehr Kürbisse.

Bok Booobooook?!

Denn so fragt sich Edgar obwohl in Begleitung zumeist allein durch die anwesenden Bewohner_innen des Dörfchens Boulzac. Ein Dorf, das wohl die einstige Herkunft der Developer von Le Poule Noire aus Frankreich skizziert. Eine gewollte Portion von übermäßig aberwitzigen Humor und allerhand Skurrilität im surrealen Gebilde. So jedenfalls ist es gewollt. Doch bis auf ein paar witzig groteske Züge, erzeugt Edgar – Bokbok in Boulzac absolut keine Abhängigkeiten, keine emotionale Bindung, die dich die Reise der Beiden irgendwie spüren lässt. Dich juckt dessen Ausfall der Ernte mal so gar nicht, denn du kennst Edgar erst fünf Minuten.
Auch ein Grund, warum du nach der ersten gespielten halben Stunde bereits Tage verstreichen lässt, um wieder in das Dorf einzukehren. „Aber das Huuuuuhn!“ tönt es aus deinem Kopf. „Ja okay, ich mach ja weiter.“

Und so erzählen dir dessen Bewohner abstrakte Anekdoten, die dich nicht packen, aber irgendwo einen kleinen Hinweis enthalten, der dich in der Story weiterkommen lässt. Ist aber nicht so schlimm. Das Dorf ist klein. Hast du einen Hinweis verpasst, plauderst du dich einfach durch und erhälst den für deinen mutierten Hol- und Bringdienst benötigten Gegenstand. Das Point and Bok besteht nicht aus anspruchsvollen Rätseln oder plausiblen Vorgängen, es reichert seine Spielebene einfach mit ein paar aneinandergereihten „Gefallen“ an. Das wäre absolut kein Problem, wenn es in seinen Gesprächen eine packende Narrative erzählen würde. Doch, auch die wabert so vergnügt vor sich hin, wie das Huhn Edgar hinterher.

Eine flach zu verlaufende Kurve, hebt das Ganze ins Absurde

Die Bewohner_innen erzählen von ihren Päckchen und Kuriositäten, doch allein, das Ganze führt in seiner Gesamtheit zu keiner intensiven Basis, die Folgendes irgendwie aufbrausend erscheinen lässt. Edgar – BokBok in Boulzac nimmt in seinen lediglich zwei bis drei Stunden Spielzeit recht spät die Fährte einer eingeleiteten spannend suggerierten Erzählkurve auf, hastet sich dann aber viel zu schnell in Richtung Ende. Und du wirst das Gefühl nicht los, dass irgendetwas hier fehlt. Als wäre so viel mehr Zusammenhang geplant, als hätten diese ganzen Charaktere noch eine tiefere Ebene, die wirklich etwas zur Gesamtsituation beitragen wolle, anstatt bloß zur allgemeinen Erheiterung. Als würde das Narrative tatsächlich mehr erzählen, sich auf eine ausschweifenderes Plateau hieven wollen, aber es vor auferlegter wahnwitziger Plakativität nicht können. „Was hat er gesagt?“ „Book Bok Bookoook!“ „Achso!“

So schmeichelt vor allem das detailreiche kastige Comicdesign, das Baumwipfel im Hintergrund langsam hin und her schunkeln lässt und seinen Dorfbewohner_innen eine gekonnte Eigensinnigkeit verleiht. Es ist so ein liebenswertes Dörfchen, das so viel mehr gebraucht hätte, als angedeutete Charakterstudien und den gekonnt herausgeschmetterten flachen Witz. „Aber das Huhuuuun!“

Edgar – Bokbok in Boulzac oder Verschwörung um Bokbok?

Und so ist es am Ende tatsächlich das Huhn, das dich abermals zurückholt und dir sagt, guck dir den Edgar an. Ein augenscheinlicher Kauz mit Metallsieb auf dem Kopf und tierlichen besten Fiederfreund, der von einem nicht bekannten Pflanzenschutzmittel schwadroniert, von offenkundigen Verschwörungen und seltsamen Vorkommnissen. Was für ein Vogel, ein vereinsamter Verschwörungstheoretiker mit Huhn-Sidekick. Hallo Gesellschaftskritik? Dabei ist es vermutlich er, der hier der normalste im Dorf zu sein scheint. Und was ist überhaupt normal? „Bokbooook!“

Am Ende kann das Point and Bok Narrative Edgar – Bokbok in Boulzac dann eben doch für eine gewisse Zeit unangestrengt unterhalten. Gar mit kurzen Anfällen wie der vom Huhn intonierten Indiana Jones Melodie zum Schmunzeln bringen. Das mag dann mitunter in seinen groben Animationen verzaubern, sich aber nicht nachhaltig für einen Platz in deinem Herzen bewerben. Auch wenn der Ausgang des Ganzen charmant gewählt erscheint. Abgelegt unter der Kategorie, „irgendwie doch ganz knuffig“. Aber vielleicht ist es auch wirklich nur das Huhn, das dich so entscheiden lässt.

„Vielleicht? Bin ich etwa nicht fähig eine abschließende Einordnung zu treffen?“
Nein, bist du nicht, es ist eben immer noch ein Huhn! „Ein Huhuuuun!“

6/10 <3

Developer/Publisher: La Poule Noire
Genre: Point and Click, Narrative
Team: David Duriot (Project Manager), Amélie Guinet (2D Artist), Adrien Marchand (Programmer), Lucas Pierrot (Writer), Ulysse Trezeres (Communication)
Musik/Sound: Marine Desmolin
Veröffentlichung: 26. Februar 2020 (Steam, Xbox One, Switch)

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