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Claybook | Game-Review | Eine richtig matschige Angelegenheit

Die Zeit, um gedankenlos im Matsch zu spielen scheint um? Es gibt eine Alternative, die dir seltsame Blicke erspart und zudem eine ziemlich saubere Angelegenheit darstellt. Deine anarchistische Knetspaß Variante heißt Claybook. 

In Claybook ist alles aus Lehm, oder war es doch Knete? Zumindest ist alles sehr, sehr bunt. Die Aggregatszustände können variieren. Vor allem aber zwischen fest und flüssig. Bäume, gelbe Schokohasen, Raketen, Flüsse, Burgen und Schlösser. Alles bereit von dir deformiert und zerstört zu werden. Ganz wie früher, als du deine Matschburg in mühseliger Kleinarbeit errichtet hast, um sie zwei Minuten später mit äußerster Präzision und mächtiger Freude zu zerstören; nur ohne dreckige Finger und verärgerte Eltern, die deine Kleidung waschen dürfen.

Hmm, Knete!

Claybook ist zum Teil Buch mit Ziel, zum Teil anarchistisches „Mach, was auch immer dir schmeichelt, solange es niemandem schadet.“ Außer der Umgebung aus bunter Knete! Das Buch ist voller Seiten und Kapitel. Jedes Kapitel beinhaltet eigene, liebevoll gestaltete Wallace & Gromit Knetwelten, die alle Herausforderungen und Ziele besitzen und doch völlig frei zu erkunden sind. Mit deinem „Protagonisten“, der sich beliebig in Kugel, Zylinder, Würfel oder Quader formen lässt, musst du jedes bisschen Schokolade vertilgen, Die Becken mit feuchtem Schlamm füllen, bestimmte Punkte erreichen oder Formen füllen. Hierbei nutzt du die unterschiedlichen Möglichkeiten deines Stückchen Knete, frisst Teile aus Fassaden, fräst Löcher in Brücken und schließt sie danach wieder.

Das Ziel aus den Augen zu verlieren ist dramatisch und erfreulich zugleich. Es gibt Bestenlisten, die dir den Ansporn erteilen, möglichst schnell die erforderten Ziele zu erreichen. Doch dann lenkt dich schon wieder der nächste Matschbach ab, der dringend noch umgeleitet werden will und die ganze Umgebung fluten muss, bevor du zum Ende taumelst. So vergehen in den verschiedenen Kapiteln zwischen 50 Sekunden und einer Stunde.

Sandbox, Knetbox oder Matschbox?

Zum Glück haben die beiden Menschen von Second Order aus Finnland ebenfalls einen Sandbox-Modus (vielleicht doch eher Knetbox Modus) und einen Kreativ-Modus integriert, die aller Voraussicht nach, das Herzstück des Spiels bilden sollen/werden. In diesen steht es dir völlig frei wahllos umherzuwüten. Letzterer ist allerdings in seiner Handhabung etwas gewöhnungsbedürftig  und erfordert ein wenig Eingewöhnungszeit. Momentan macht sich das an den Online-Kreationen der „Anderen“ bemerkbar. Drei Wochen nach Erscheinen waren nur wenige erschaffene Spieler_innen-Level zu erkunden, die zudem reichhaltigen Inhalt vermissen ließen, zumindest in der Konsolen-Version (Xbox One). Eventuell ist die Bearbeitung auf dem PC wesentlich intuitiver. Mit etwas Übung und/oder eventuellen Vereinfachungen der Bautechniken, könnte sich Claybook zu einer kreativen, Little Big Planetesken Eigendynamik entwickeln.

Nach Jahren der Lehmabstinenz befreit dich Claybook erfrischend von Alltagsgedanken und Stress-Symptomen. Die Kombination aus entspannender Klaviermusik, liebevoller matschiger Optik und destruktiver Energie, erzeugt eine wundervolle Beschaulichkeit und entwickelt in seinen besten Momenten nahezu meditative Fähigkeiten. Hast du alle Sorgen des Lebens ausgeblendet, wirst du hin und wieder von der etwas eigenwilligen Kamera des Spiels geärgert, die mitunter gerne mal hinter einem Pfeiler verweilt und in ihrer Gesamtheit etwas zu hypersensibel auf Ausrichtungen reagiert.

Du bist Claybook!

Mehr Spielstunden bedeuten aber auch Gewöhnung. Mehr Spieler_innen bedeuten wachsenden kreativen Output und somit mehr Abenteuer und Spaß. Die außerordentliche Lehmmechanik – Clayfield, die eigens für Clybook entwickelt wurden – sorgt für ein völlig natürliches Verhältnis in der Interaktion mit deiner Umwelt. Claybook besitzt eine gute Balance aus physikalischen Gegebenheiten, intuitivem Gebrauch des Controllers und dem Verhalten innerhalb der erschaffenen Welt.

Claybook ist die Plattform deiner Imagination. Claybook ist das Medium, nicht die narrative Erzählung, auch wenn es dir einige Pfade vorgibt, um dich einzufinden. Claybook ist das, was du daraus machst. Ist dein Kopf leer? Dann ist auch das Knetbuch leer. Füllst du es mit Geschichten, Landschaften und Herausforderungen? Dann erwacht das Buch zum Leben zwischen kompetitiven Verhalten und wahllosen, kreativen Auswüchsen. Es lebt vor allem von seinen Spieler_innen, die sich ohne Zweifel erst mit den Mechaniken anfreunden müssen. Die matschige Welt ist eine verknetete Mischung aus Minecraft, Trials, Little Big Planet und Murmelbahn. Claybook lenkt dich ab, befreit deinen Kopf und fräst dir immer wieder ein Schmunzeln in dein Gesicht. Und das nicht nur, wenn du mit deiner Kugel an der creepy Figur vorbei saust, die da vor dem Buch auf dem Tisch sitzt und mit eifriger Mine am Joystick hantiert. Claybook ist die zivile Art der Matschgestaltung und kann in abstrakter Weise deine kreative Ertüchtigung fördern!

7/10 <3

Developer/Publisher: Second Order
Designer/Entwickler: Sami Saarinen, Sebastian Aaltonen
Veröffentlichung: 31. August 2018 (Steam, Xbox One (Early Access 16. Februar 2018), PS4)

Autorin: Benja Hiller
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