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A Quiet Place | Film-Kritik | Muxmäuschenstill

Quiet_PlaceIn Zeiten von unentwegter Ablenkung will A Quiet Place deine uneingeschränkte Aufmerksamkeit! Als spannender Gegenentwurf zu hektischer Kinokultur, fordert er all deine Sinne und feiert mal eben so nebenbei die Wiederbelebung des Stummfilms. 

Die Welt wurde von einer mysteriösen Alien-Invasion heimgesucht. Nur wenige konnten den unverwundbar scheinenden Wesen überhaupt entkommen. Nun lebt die Abott Familie in einer sehr ruhigen, ausgestorbenen, dystopischen Welt. Denn die blinden Aliens reagieren auf jedes kleinste Geräusch und so versuchen die Vier ihr Leben so gut es geht auf die neuen Gegebenheiten einzustellen.

A Quiet Place geht einen völlig entgegengesetzten Weg zum aktuellen Zeitgeist des Kinos. In Zeiten, in denen es auf der Kinoleinwand fast keine ruhige Sekunde mehr gibt und alles kommentiert und erklärt werden muss, verzichtet John Krasinskis zweites Werk als Regisseur auf geradezu alles Konventionelle. Durch das auferlegte Schweigen, das die neuen „Herrscher der Erde“ mit sich bringen, entsteht eine unglaublich detail- und ideenreiche Welt. Kaum auszudenken, was alles mit nur kleinsten Geräuschen verbunden ist. Kommuniziert wird per Gebärdensprache, die die Familie aufgrund ihrer gehörlosen Tochter Regan (gespielt von der tatsächlich gehörlosen Schauspielerin Millicent Simmonds) schon vorher beherrschte. Selbst das Brettspiel Monopoly wird zur Geräuschlos-Edition umfunktioniert, inklusive Hotels und Figuren aus Wolle und Schwämmen. Die Kreativität kennt auf diesem Sektor absolut keine Grenzen. Es ist beeindruckend mit welcher abgöttischen Liebe sich hier in die Materie gedacht wurde.

Grenzenlose Kreativität

All die kleinen Details in ihrer Gesamtheit fördern die Glaubhaftigkeit dieser eindrucksvollen Endzeitwelt und sorgen in jeder Szene ihrer Inszenierung für einen unglaublichen Spannungsbogen. In dieser ruhigen Welt wirkt jede noch so kleine Bewegung wie eine immerwährende Lebensbedrohung. Da braucht es keine hektischen Kamerabewegungen und auch die im Horror-Genre so beliebten Jumpscare werden nur äußerst bedacht gewählt und selten angewandt.

So fordert A Quiet Place deine Aufmerksamkeit auf visueller und vor allem auditiver Ebene enorm. Streckenweise ist es über lange Zeit absolut still. Nur kleinste Geräusche vermitteln eine einzigartige Atmosphäre aus idyllischer Wohlfühloase und ständiger Bedrohung. Das stimmige Zusammenspiel aus perfektem, absolut gigantisch imponierendem Sounddesign, Mimik und Gestik, der Kameraarbeit und dem Szenenbild lässt zum Teil deinen Mund unbemerkt offen stehen während du angespannt in deinem Kinosessel versauerst.

Worte sind hier tatsächlich völlig überflüssig, wie die Szenen, in denen die Darsteller_innen dann doch mal flüstern, beweisen. A Quiet Place ist immer dann äußerst stark, wenn nichts gesagt wird und der Film der breiten Atmosphäre den Weg ebnet.

Dabei ist John Krasinskis Film nicht einmal stumpfer Horror. Er ist ein Feiner Genre-Mix aus Familien-Drama, Endzeitfilm, Zukunftsvision und Alien-Horror. Der zweite Teil des eineinhalbstündigen Films, in denen die „außerirdischen Kampfmaschinen“ zuschlagen, ist deshalb so intensiv, weil die emotionale Beziehung der Familie so wundervoll und authentisch dargestellt wird. Ihr Lebensentwurf, in einer völlig kaputten Welt zurechtzukommen und einen nahezu normalen Alltag zu leben, saugt dich gerade zu mit hinein. Mit all den Gefühlen aus Verlust, Enttäuschung, Glück und den auf allen Ebenen nicht zu vermeidenden Reibungspunkte innerhalb des Familienlebens, sorgt das Drama für das später folgende Schauergefühl. Das reduzierte, großartige Schauspiel, das vor allem von der Interaktion zwischen John Krasinski und Emily Blunt lebt, erinnert tatsächlich an die Zeit des Stummfilms, in denen es noch wesentlich wichtiger war, Emotionen über Aktion und Mimik zu transportieren. Zudem erklärt A Quiet Place die gegebene Situation äußerst gekonnt per Bild und Ton, ohne auch nur ein einziges Wort zu verschwenden. Damit hat dieser Film den Grundgedanken des Mediums bei weitem besser verstanden, als 95% des heutigen Kinos, das bis ins letzte Detail alles in Worten und Rückblenden darlegen muss.

Einzigartige Atmosphäre

Und doch schien Krasinski etwas Angst gehabt zu haben, die Menschen im Kinostuhl allzu sehr mit seiner brachialen Reduziertheit und der letzten Konsequenz zu überfordern. Die Passagen, in denen tatsächlich mal geredet wird, scheinen überflüssig und unpassend. Die letzten 20 Minuten zudem leicht überhastet, was der Stimmung aber nicht unbedingt schadet. A Quiet Place bietet zudem ein komplettes und durchdachtes Design der Wesen aus dem All, die sich überhaupt erst spät im Film zeigen und allein durch ihre Abwesenheit eine nicht greifbare, große Gefahr ausstrahlen. Ähnlich dem Unbehagen in Ridley Scotts Alien.

Statt sich mit stumpfer, ausgelullter Schreckphilosophie anzubiedern, fordert „A Quiet Place“ all deine Sinne. Vor allem die, die im Kino sonst vernachlässigt oder überstrapaziert werden und setzt vielmehr auf dichte, einzigartige Atmosphäre. Das durchdachte, detailverliebte Konzept bildet dabei die herausragende Basis für das hervorragende Sounddesign, die beeindruckenden Bilder und den komplett überzeugenden liebenswerten Cast. So ist A Quiet Place ein wundervoller, frischer Genre-Mix mit großartigem Creature-Entwurf und nötiger Tiefe. Auch wenn er nicht auf voller Länge seine unglaubliche Konsequenz halten kann, ist Krasinskis zweiter Regiestreich eine unglaublich intensive und abwechslungsreiche Erfahrung.

8/10 <3

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Filmstart: 12. April 2018
Besucher: 100.087 bisher
Regie: John Krasinski
Drehbuch: Bryan Woods, Scott Beck, John Krasinski
Musik und Soundesign: Marco Beltrami (Musik),Ethan Van der Ryn und Erik Aadahl (Sounddesign)
Schauspieler_innen: Emily Blunt (Evelyn Abbott), John Krasinski (Lee Abbott), Noah Jupe (Marcus Abbott), Millicent Simmonds (Regan Abbott), Cade Woodward (Beau Abbott), Leon Russom (Mann im Wald)

Autorin: Benja Hiller
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