Ende der 90er Jahre startete eine Serie, die eine Revolution der Show-Landschaft darstellte. Sie verband starke (weibliche) Charaktere mit sehr gutem Story-Writing und vermischte mal eben so vollkommen unterschiedliche Genres. Und ich? Ich saß vor meinem N64 und stellte den nächsten Rekord im Dolphin Park auf.
Oktober 1998: 1 ½ Jahre später als in den USA startet auch hier Buffy The Vampire Slayer. In der Vorschau auf Pro Sieben stellte sich mir eine weitere Highschool-Teenie-Soap vor. Einen Unterschied gab es jedoch. Aus irgendeinem Grund hatten sie unglaublich hässliche Vampire eingebaut. Der fernsehunfreundliche Termin zum Samstag Nachmittag vermittelte mir seine unendliche Gleichgültigkeit. Nichts erschien mir egaler als diese Fernsehserie. Ich verabschiedete mich in mein Zimmer und startete Frankreich 98 auf dem PC.
Ende der 2000er: Mein kulturelles Interesse hatte sich entfaltet, ausgeweitet und festgebissen. Ich war nicht mehr diese sturköpfige Person, die alles sofort ablehnte. Ich sah kunstvolle Aspekte, noble Hintergründe und Referenzen. Irgendwann tauchte wieder einmal diese Vampirjägerin auf. Es gab plötzlich Lesungen und Workshops, die sich dem Thema annahmen. Ganze Unikurse beschäftigten sich mit diesem Thema. In meinem Umfeld! Buffy avancierte zu einem popkulturellen Meilenstein. Immer wieder tauchte die Serie im Zusammenhang mit dem Feminismus auf. Wie war das möglich? Die Folge, die ich gesehen hatte, passte absolut nicht in dieses Bild. Ich beschloss, mich in naher Zukunft diesem Thema anzunehmen. In der original Version! Doch zuerst mussten die gebildeten Strukturen in meinen Gehirnzellen verschwinden, die ihr feines und stabiles Gewebe aus Vorurteilen, schlechter Übersetzung und Ablehnung stabil verwoben hatten. Weitere Jahre aus Informationen sammeln, Artikel lesen und Zusammenhänge begreifen zogen an mir vorbei. Du brauchst die richtige Person, um über deinen Schatten zu springen und dich mit Inhalten zu beschäftigen, die du irgendwann einmal falsch abgelegt hast.
2013 war diese Person gefunden. Ich hatte ihr Star Wars bis ins Detail mit Erfolg nahegebracht. Nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich mit der Auserwählten beschäftigen sollte. Die ersten Folgen über hielten sich meine Gehirnstrukturen, die sich damals in meinem Kopf gebildet hatten. Doch schon jetzt vermittelte sich ein anderes Bild der Serie. Die ersten beiden Staffeln scheinen rasant gealtert zu sein. Dies liegt vor allem an dem geringen Produktionsaufwand mit dem Joss Whedon und seine Produktionsfirma bis Staffel drei zu kämpfen hatte. Die technische Ebene wirkt stets verkorkst, vermarktet sich aber hierdurch im Rückblick als charmant. Das durchweg gute Schauspiel und die großartig geschriebenen Geschichten wirken dem mit Fortschreiten der Serie immer weiter entgegen, bis auch die Technik auf Augenhöhe agieren kann. Buffy wurde in die Slayer-Rolle hineingeworfen. Es gab keine vorbereitenden Maßnahmen, die sie für die Aufgabe zur Rettung der Welt hätte nutzen können. Daher wirkt sie Anfangs leicht naiv und unaufmerksam. Ein Teenager eben. Die deutsche Synchronfassung hatte hier völlig übertrieben. Die popkulturellen Referenzen verpufften. Alle Charaktere kamen völlig anders rüber als sie es eigentlich sollten. Und doch schaffte es auch die deutsche Version, Menschen in ihren Bann der Dämonen zu ziehen.
Das intelligente Storytelling baut auf ausgeprägte Figuren. All diese wachsen und fallen mit ihren Aufgaben und Erlebnissen. Hier bestimmt nicht nur ein Charakter das Geschehen sondern die Symbiose aus vielen großartigen. Sie weisen eine starke Färbung aus Grautönen auf, denn niemand ist hier unendlich gut oder unendlich böse. Irgendwann hatte Whedon genug von dem ewigen Bild weglaufender Frauen in Horrorfilme, drum schrieb er einfach eine starke Persönlichkeit, die dem Bösen in den Arsch tritt. Er stellte ihr weitere starke Frauen zur Seite, die auf Rollenklischees scheißen, aber immer irgendwo einen düsteren Fleck in ihrem Inneren entdecken.
Buffy macht vor allem dann Spaß, wenn du mit den Figuren wachsen kannst, ihre Entwicklungen entdeckst, ihre Ängste wahrnimmst und mit ihnen Fluchst, wenn sie wieder einmal etwas verkackt haben. Dabei geht es tatsächlich auch um nicht supernaturale Themen wie Tod, dem Umgang mit diesem und dem Verlust. Auch alltägliche Hürden bieten immer wieder Anlass die Protagonist_innen straucheln zu lassen. Das macht diese Serie so greifbar. Sie entfernt sich nicht von dir. Sie driftet nicht ins unermesslich Absurde ab. Du kannst Handlungen nachvollziehen, sie in deinem Leben wiedererkennen und reflektieren. Da erscheinen auftauchende böse Gestalten wie die Personifizierung deiner Probleme, für die du erst einen Plan entwickeln musst, um sie sicher umschiffen zu können. Bei all den durchdachten Details wirkt es kaum noch verwunderlich, dass Buffy eine der ersten Serien war, die eine Partnerschaft zwischen zwei Frauen thematisierte. Entgegen anderen Serienentwürfen wirken die Beiden hier nicht sonderbar, sondern führen eine alltägliche respekt- und liebevolle Beziehung, die sich somit nicht von anderen Lebensentwürfen unterscheidet. Eine alltägliche Banalität, die dir zeigt, dass es okay und völlig normal ist, zu lieben, wen du willst. Ganze Folgen ohne Sprache sind möglich. Eine Musical-Episode, die besser ist, als manch Musical es gerne sein möchte, bildet den zentralen Punkt einer Staffel.
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Start der Serie: 10.03.1997 (The WB)
Autor: Joss Whedon
Poduzenten: Gail Berman, Sandy Gallin
Episoden: 144 in 7 Staffeln
Schauspieler: Sarah Michelle Gellar (Buffy), Alyson Hannigan (Willow), Nicholas Brendon (Xander), Anthony Stewart Head (Giles), Charisma Carpenter (Cordelia), David Boreanaz (Angel), Seth Green (Oz), James Marsters (Spike), Marc Blucas (Riley), Emma Caulfield (Anya), Michelle Trachtenberg (Dawn), Amber Benson (Tara), Kristine Sutherland (Joyce)