Die, bis ins kleinste Detail, durchdachten Figuren lassen Sympathien in dir wachsen. Sie finden immer einen Weg, jede noch so krude, skrupellose Handlung zu rechtfertigen und als „gute Tat“ ins rechte Licht zu rücken. Das wunderbare Kammerspiel lebt von den ausgeklügelten Dialogen. Es lässt die drei Wirtschaftsexperten auf einem schmalen Grat zwischen Wahnsinn, Abgrund und Menschlichkeit wandeln. Nachdem du dich gerade noch gefragt hast, wie verdorben man sein muss, um so eine Äußerung zu tätigen, stehst du im nächsten Moment im Empathiesumpf. Öllers steht im ständigen telefonischen Streit, mit seiner Frau, die ihn verlassen will und vom schwer kranken Sohn erzählt. Niederländer hingegen ist feinster Neurotiker, dessen Eigenheiten absolut überzeugend gezeichnet wurden. Doch die Entscheidungen von Niederländer, Öllers und März führen immer weiter in einen riesigen Scherbenhaufen. Dramatik wird vor allem vom eindringlichen Spiel und der exzellenten Inszenierung erzeugt. Kamera und Schnitt bleiben stets ruhig und unaufgeregt. „Zeit der Kannibalen“ ist tatsächlich bitterböse, doch gibt er dir nicht die nötige Distanz und geht somit unglaublich an die Nerven.
8/10 <3
- 49.426 Zuschauer
- Regie: Johannes Naber
- Drehbuch: Stefan Weigl
- Schauspieler: Sebastian Blomberg (Kai Niederländer), Katharina Schüttler (Bianca März), Devid Striesow (Frank Öllers)
- Preise: Deutscher Filmpreis 2015 bestes Drehbuch / Preis der deutschen Filmkritik (Bester Spielfilm / Darstellerpreis Sebastian Blomberg / Drehbuch)
- Anschauen mit Amazon Prime